Der "Holzhändler" Karl Winterkorn 
    Erinnerungen an einen Unvergessenen 
    Im Offenbacher Fastnachtszug von 1938 fiel den
    Zuschauern ein prächtig herausgeputzter Engel auf, der mit ernster Miene würdig zwischen
    den Motivwagen marschierte. Er hatte allerdings nicht die Figur, die man sich gemeinhin
    bei einer himmlischen Erscheinung vorstellte. Dieser untersetzte Engel mit den Flügeln
    auf dem Rücken und den listigen Schlitzaugen im kugelrunden Gesicht konnte doch nur ...
    Richtig, die Zuschauer machten einander aufmerksam: "Das ist doch das
    Streichholzkarlche!"  
    In der Tat, er war es. 
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    Vom
    Streichholzkarlche meinen viele, er sei das letzte der Originale gewesen, an denen das
    alte Offenbach reich war. Hinragend in eine Zeit, in die Originalität eigentlich nicht
    mehr passte. 
    Zeitgenossen, die sich an ihn erinnern, beschwören das
    Bild eines etwas schrulligen und verschobenen, aber liebenswürdigen Individualisten, den
    jeder kannte und sympatisch fand. Sein Bild steht für eine versunkene Zeit und
    schwindende Erinnerungen. 
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    Karl
    Winterkorn, am 28. März 1880 geboren, lebte vom Verkauf von Streichhölzern. Er war nur
    1.30 Meter groß, dabei zur Fülle neigend. Er liebte es als Holzhändler bezeichnet
    zu werden. Na und das warer ja auch. 
    Tag für Tag konnte man ihn in Offenbacher Lokalen und
    den mit der Lokalbahn leicht zu erreichenden Sachsenhäuser Gaststätten seine
    Streichhölzer feilbieten sehen. Die trug er mal in einer abgewetzten Aktentasche, mal vor
    dem Bauch in einem Kasten, den bei Regen ein Wachstuch vor Nässe schützte. 
    Das Streichholzkarlche war kein großer Redner. In den
    Lokalen pflegte er seine Streichhölzer einfach stumm auf den Tisch zu legen. Und wortlos
    strich er die Bezahlung ein. 
    Nur wenn er sehr guter Laune war und unter den Gästen eine attraktive junge Frau
    entdeckte, wurde er munter. Mit todernster Miene spitzte er dann die Lippen und bot ein
    verwegenes Küsschen an. Und wenn die Gäste so recht ihren Spaß daran hatten, legte er
    auch mal seinen Arm um die sich meißt heftig wehrende Dame.  
    Galant und in allen Ehren versteht sich. 
    Denn das Streichholzkarlche war ein harmloser Mensch,
    der niemanden etwas zuleide tat, der sich sogar sehr gern nützlich machte. 
    Den Offenbacher Kickers trug er die Plakate zum Aushang in die Ladengeschäfte und einmal
    sah man ihn sogar auf der Bühne des Frankfurter Schauspielhauses. Er durfte in Stoltzes
    "Alt Frankfurt" mitspielen und 1925 spielte er im neueröffneten Operettenhaus
    mit im Weihnachtsmärchen "Streichholzkarlchen und das Christkind". 
    
      
        Es kommt also nicht von ungefähr, daß in der
        Nachbarstadt ihn viele für ein Frankfurter Original halten. Beide Städte waren seine
        Welt. 
        Aber sein zu Hause hatte er in Offenbach, wo er auch zur Schule ging, in seiner Wohnung in
        der Gerberstraße (heute Athur-Zitscher-Straße 4), in der Offenbacher Innenstadt, in den
        Offenbacher und Bieberer Lokalen. 
        In Offebach fand er auch zur letzten Ruhe. 
        Karl Winterkorn starb am 12. Februar 1939. Sein Grab auf dem alten Friedhof in Offenbach
        wird heute von Unbekannten liebevoll gepflegt.  | 
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